Die Kommunen schaffen es aktuell nicht, ihre Verwaltungsaufgaben zu digitalisieren. Zumindest nicht so, dass die Anwendungen für Mitarbeiter und Bürger selbsterklärend und benutzerfreundlich sind. Ein großes Problem: Es gibt keine einheitlich gültige Vorgehensweise. Durch das Selbstverwaltungsrecht kann jede Kommune ihren eigenen Weg gehen. Das jedoch, führt nicht zum Ziel und schafft in den Köpfen der Bevölkerung auch kein Vertrauen in die Digitalisierungsstrategie Deutschlands. Stattdessen wären Mut und der Wille zur Veränderung angebracht.
Ein Blick zu unseren skandinavischen Nachbarn zeigt, wie die Digitalisierung der kommunalen Aufgaben gelingen kann. Dort ist es beispielsweise mit wenigen Klicks möglich, seinen Wohnort oder das Auto umzumelden. In Deutschland ist das noch nicht vorstellbar. Das zeigt unter anderem die ZDF-Dokumentation “Digitale Dilettanten”. Die Bundesbürger können bislang nur wenige bürokratische Aufgaben autonom online erledigen. Irgendwie ist am Ende doch immer der Gang zum Rathaus, eine E-Mail oder der Griff zum Telefon nötig. Folgerichtig funktioniert auch die automatische Kommunikation mit dem Bürger nicht. Er kann online nicht abfragen auf welchem Stand die Bearbeitung seines Anliegens gerade ist. Wenn Anliegen eilen, übt er dann verstärkt Druck auf die Verwaltungsmitarbeiter aus.
Die Anwendung muss einfach sein
Wenn es für den Bürger doch Möglichkeiten gibt, einen Teil online zu erledigen, ist der Vorgang oft kompliziert und komplex. Ein Beispiel ist das Thema Bauanträge. Die Verwaltung hat hier komplexe Prüf- und Freigabe-Instanzen, die eingehalten werden müssen. Da die Vielzahl an Bauprojekten oft sehr eng getaktet und viele Parteien beteiligt sind, kommt es regelmäßig zu Komplikationen, Transparenz für den Bürger fehlt. Die Digitalisierung gelingt nur - so sagen es die meisten Experten voraus - wenn es einheitliche Anwendungen mit gut durchdachten Prozessen gibt. Die Anwendungen müssen analog zu bereits bekannten Systemen wie beim Onlinebanking oder Shoppingportalen entwickelt werden. Denn die hat der Bürger bereits erlernt. Dazu müsse man sich vor allem in die Köpfe des Bürgers hineinversetzen.
Politik muss Vertrauen aufbauen
Warum ist das in Deutschland noch nicht so? Das Land hinkt europaweit in nahezu allen Sparten hinterher was die Digitalisierung angeht. Das Handelsblatt berichtete erst im September, dass die Bundesrepublik im Digitalisierungs-Vergleich zum zweiten Mal in Folge auf dem vorletzten Platz der sieben wichtigsten Industrienationen landete.
In den Verwaltungen spielt ein Durcheinander an Systemen und Vorgehensweisen eine große Rolle für den Misserfolg. Das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen ist gut und schön, doch an dieser Stelle nicht hilfreich. Der Bund versucht aktuell, dem Digitalisierungs-Problem entgegenzuwirken. Im Rahmen des sogenannten Online-Zugangsgesetzes sollen bis Ende 2022 Verwaltungsleistungen über Portale digital angeboten werden. Unter anderem soll es ein einheitliches Bürgerkonto geben. Bei vielen Experten herrschen jedoch Zweifel, ob eine neue Software so problemlos in schon bestehende, unterschiedlichste IT-Landschaften integriert werden kann. Hinzu kommt eine Vielzahl der am Prozess beteiligten Interessensgruppen welche im nachstehenden Schaubild zusammengefasst sind (Stand Sept 2021) Dass hier lange Abstimmungsphasen und unterschiedliche Interessenslagen zu meistern sind erklärt sich von selbst.
Ein weiteres Problem zeigt aktuell eine Allensbach Studie, die Anfang September veröffentlicht wurde. Auftraggeber ist das European Center for Digital Competitiveness der ESCP Business School in Berlin. Das Ergebnis: Die Bundesbürger haben kein Vertrauen in die deutsche Digitalpolitik. Es hake immer noch am „richtigen Mindset“, womit vor allem der fehlende politische Wille gemeint ist, den technologischen Wandel entschlossen voranzutreiben. Es müsse in jedem Fall ein Digitalministerium eingerichtet werden.
Es braucht Bereitschaft und Mut
Für die einzelne Kommune ist nichtsdestotrotz eine Digitalstrategie notwendig. Laut Digital-Experte Felix Schmitt, ist sie von langfristiger Bedeutung. Die Digitalisierung verändere nicht nur einzelne Prozesse, es würden Strukturen, Organisation, Denk- und Sichtweisen verändert. “Alle EinwohnerInnen und MitarbeiterInnen sollen mitgenommen werden, sollen die Vorteile für sich erleben können”, schreibt er auf seiner Homepage. In welche Richtung es geht, hänge entscheidend von der Bereitschaft ab, die Digitalisierung mitzugestalten.
So sieht es auch Yannick Dillinger, stellvertretender Chefredakteur der Augsburger Allgemeinen mit Schwerpunkt Digitale Transformation. Sowohl die Politik als auch jeder einzelne müsse offen sein und sich mit Mut Neuem nähern. Er sagt: “Deutschland muss die Zögerlichen und Ängstlichen bei der Hand nehmen, ihnen Weiterbildung anbieten, sie fit machen für die Zukunft. Wer die Augen davor verschließt, dass die Digitalisierung auch sein Leben verändern wird, wird abgehängt.”
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