In Sachen Digitalisierung hinkt Deutschland gewaltig hinterher. Im internationalen Vergleich belegt es regelmäßig die hintersten Plätze. Gründe dafür sind eine verpasste Chance im Jahr 1981, die Veränderungs-Unlust der Deutschen und mittlerweile zusätzlich ein System-Durcheinander mit unterschiedlichsten Zuständigkeiten. Die Auswirkungen können fatal sein.
Erst am 15 Januar 2021 hat der Ältestenrat beschlossen, dass der Bundestag die Faxgeräte abschafft. Auf den schwedischen Lofoten wissen die Bürger vermutlich nicht einmal mehr was das ist. Bei ihnen ist schnelles Internet seit Jahrzehnten flächendeckend vorhanden. So hätte es in Deutschland auch sein können.
Denn: Bereits 1981 hatte der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt ein Glasfasernetz ausbauen wollen. Demnach wurde in einer Kabinettssitzung am 8. April 1981 beschlossen: „Sobald die technischen Voraussetzungen vorliegen, wird die Deutsche Bundespost aufgrund eines langfristigen Investitions- und Finanzierungsplanes den zügigen Aufbau eines integrierten Breitbandglasfasernetzes vornehmen.“ Bis 2015 wäre Deutschland dann komplett mit Glasfaser versorgt gewesen.
Helmut Kohl förderte den Kupferkabel-Ausbau
Die Realität: Im Jahre 2020 belief sich der Anteil an Glasfaseranschlüsse auf 13.8 Prozent. Die neue Regierung unter Helmut Kohl legte die Pläne Schmidts damals auf Eis und förderte stattdessen das Kabelfernsehen. Mehrere Medienberichte belegen die enge Freundschaft des Kanzlers mit dem Medienunternehmer Leo Kirch. Unter anderem für dessen Vorteil soll er das Geld in den Ausbau der Kupferkabel gesteckt haben, die für Kirch „praktischer, schneller und billiger“ waren. Gesicherte Tatsache ist, dass Kohl jährlich rund 600.000 Mark Parteispenden von Leo Kirch erhielt. Beziehungsweise - so schreibt es unter anderem die FAZ - habe Kohl das Geld für seine “Beraterdienste” für Kirch erhalten.
Unter der Regierung Kohl wurde die Deutsche Telekom privatisiert. Um maximale Gewinne zu generieren, hielt das Unternehmen an den bereits bestehenden, teilweise 80 Jahre alten Kupferkabeln fest. Da die erhofften „Datenautobahnen“ nicht mehr dem Staat gehören, gibt der für die Digitalisierung aktuell auch nur rund 389 Millionen Euro aus, für die „Straßenautobahnen“ hingegen 10 Milliarden.
Diese Entwicklungen haben zur Folge, dass Deutschland heute auf Platz 28 der 32 OECD-Staaten im Glasfaser-Versorgungs-Ranking steht. Bei den digitalen Behördengängen schafft es Deutschland in der EU auf Platz 22 von 27. Entstanden ist e
in Durcheinander digitaler Zuständigkeiten und damit einhergehend ein Systemchaos. Der Bund, die Länder, Landkreise, Städte & Gemeinden , Gremien, Behörden und Organisationen mischen mit – alle mit anderen Regeln, Wunschvorstellungen, Zielvorgaben und unterschiedlichen digitalen Systemen.
Das macht es Deutschland aktuell schwer, in der digitalen Welt aufzuholen.
Prof. Dr. Key Pousttchi, Professor für Digitalisierung, erklärt das so:
“Der helle Wahnsinn ist, Infrastruktur im Wettbewerb aufzubauen. Wenn wir vor 120 Jahren unser Wasserleitungsnetz so aufgeteilt hätten, wie wir heute Internetzugang organisieren, dann hätte ich in meiner Wohnung in Potsdam jetzt drei Wasserhähne in der Küche. Einen mit magentafarbenem Wasser, einen mit rotem und einen mit blauem. Und in der Uckermark würden die Leute immer noch mit der Milchkanne zum Fluss gehen, weil es sich dort nicht lohnt, Wasserleitungen zu verlegen.”
Deutsche sind Digital-Skeptiker
Der Bund versucht aktuell, dem Digitalisierungs-Problem bei den Verwaltungen entgegenzuwirken. Im Rahmen des sogenannten Online-Zugangsgesetzes sollen bis Ende 2022 Verwaltungsleistungen über Portale digital angeboten werden. Das wären 575 an der Zahl. Unter anderem soll ein einheitliches Bürgerkonto angeboten werden. Bei vielen Experten herrschen jedoch Zweifel, ob eine neue Software so problemlos in schon bestehende, unterschiedlichste IT-Landschaften integriert werden kann.
Hinzu kommt, dass viele Deutsche dem digitalen Fortschritt nach wie vor skeptisch gegenüberstehen. Laut einer McKinsey-Studie haben 65 Prozent der deutschen Verbraucher während der Pandemie digitale Einkaufs-, Bildungs- oder Verwaltungsdienste genutzt. Im Vergleich dazu liegt der europäische Durchschnitt bei 80 Prozent. Aus der Umfrage geht weiterhin hervor, dass fast jeder fünfte Verbraucher in Deutschland seit Beginn der Pandemie erstmals digitale Dienste nutzt – und das lediglich aufgrund von Corona.
FAZIT:
Deutschland könnte, wenn es diese Herausforderungen nicht bald meistert, sowohl gesellschaftlich als auch wirtschaftlich abgehängt werden. Andere Länder werden ihren Umsatz durch schneller digitalisierte Prozesse steigern können und so auch qualifizierte Fachkräfte anziehen. Kunden, die eine Ware oder Dienstleistung naturgemäß so schnell und einfach wie möglich beziehen möchten, werden zu den Firmen stärker digitalisierter Länder abwandern.
Durch die zu langsame Digitalisierung in der Infrastruktur, den Verwaltungen und vor allem den Schulen, wird die deutsche Gesellschaft abgehängt. Sie wird beispielsweise mit den Bildungsmöglichkeiten anderer Länder nicht mehr mithalten können.
Bildquellen: unsplash - Maksym Kaharlytskyi & pexels - Steve Johnson
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